Partizipation durch Individualisierung der Lernprozesse
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Sebastian Precht.
Partizipation durch Individualisierung der Lernprozesse
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Wenn man einen Menschen und seine Lebenssituation als Ausgangspunkt der Planung nimmt und nicht den Stoff, werden neue Wege zur Partizipation, Individualisierung und Differenzierung eröffnet.
Ich habe ein Dokument mit der alternativen Vorgehensweise hochgeladen und möchte mit euch hier darüber diskutieren.
Eine kurze Zusammenfassung des Verfahrens:
- Die Schüler beantworten drei Kernfragen: Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich lernen?
- Man erstellt einen persönlichen Förderplan und sucht sich ein Team für die Umsetzung seines Vorhabens
- Es wird anschließend nach Scrum Prinzip gearbeitet. Der Lehrer ist Coach und Scrum-Master. Jeder Einzelner ist Product-Owner seiner Persönlichkeitsentwicklung auf der Basis vom Förderplan
- Ein Lernentwicklungsgespräch bzw. Feedback-Runde nach dem Projektabschluss
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Klasse, wie ausführlich du das ausgearbeitet hast. Ich kann als Software-Entwickler nichts zum didaktischen Teil beitragen. Ich glaube aber nicht, dass du die Brücke zu den Rollen in Scrum brauchst – und sie auch ins Leere führt. Außer einer vagen Überschneidung einiger Aspekte der Aufgaben der Rollen sehe ich keine Ähnlichkeiten – Scrum ist ja Einiges mehr als das.
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Danke für dein Feedback!
Ich kenne mich relativ oberflächlich mit Scrum aus, daher lese ich mich gerade in die Materie rein:
Vielleicht könntest du als Software-Entwickler, der sich mit dem wahren Scrum gut auskennt, eine von Nele vorgeschlage Gruppe gründen, die sich mit der Frage „Wie lässt sich agiles Lernen mit Scrum realisieren?“ beschäftigt. Ich wäre auch gerne dabei und würde dann die Ergebnisse in mein Konzept mitintegrieren.
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Zur „Agilen Schule“ kenne ich nur die Podcast-Episode von „Jöran ruft an“, nicht das Buch. Von daher kann ich mir kein Urteil bilden. Das, was ich gehört habe klang für mich als Nicht-Pädagogen bloß nach „demokratischer Schule“ (was u. a. Marina Weisband fördert). Eine schöne Sache, aber den Bezug zum „agil“ habe ich im Podcast nicht entdeckt. Der Begriff wird aber auch anderswo inflationär für alles Mögliche benutzt.
Was es mit EduScrum im Detail auf sich hat, müsste ich mir anschauen, aber da Jeff Sutherland da seine Finger im Spiel hatte, wird das mehr sein als „Wir definieren vage drei Rollen und verteilen die beliebig“. Scrum ist zwar ein Rahmenwerk und muss individuell implementiert werden, aber das (ebenfalls nach Jeff Sutherland) auch vollständig, um sich Scrum nennen zu dürfen.
Da ich mich mit Pädagogik/Didaktik zu wenig auskenne (und mir auch nicht sicher bin, inwieweit es sinnvoll ist, solche Konzepte von einer Domäne auf eine andere zu übertragen), fände ich es falsch, wenn ich zu dem Thema eine Gruppe gründe.
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Es gibt schon einen Haufen Agile Learning Center (ALC) aber noch keins in Deutschland. Ich habe auf einer EUDEC Konferenz mit einigen Menschen aus ALCs gesprochen und eine ungefähre Vorstellung. Es sind demokratische Schulen die auf individueller Ebene wohl im Prinzip so funktionieren wie Nataliya das geschrieben hat. Es gibt morgendliche Scrummeetings, bei denen die Kids selbst in den Sprint hängen was sie an dem Tag tun wollen – ein bisschen wie bei Falco Peschel – nur eben mit Scrumboards. Am Ende des Tages gibt es ein kurzes Scrummeeting und alle berichten was sie getan haben und was nicht und ob sie noch was brauchen oder überhaupt damit weitermachen wollen. Die Lerninhalte werden vollständig frei gewählt. Ein bisschen wie bei uns in der Demokratischen Schule aber mit mehr Verbindlichkeit – wenn auch selbst gewählt. Zusätzlich ist die Schuldemokratie mit Scrum oder Kanban strukturiert. Es gibt ein community board und in (wöchentlichen?) Meetings werden die Herausforderungen der Schulgemeinschaft gesammelt und Lösungen überlegt, die dann vom Sprint in eine „in Practise“ Spalte geschoben werden. Dann wird nach geraumer Zeit gesehen ob sich die Lösung rentiert hat oder und in Done kann oder zurück in den Sprint muss. Also etwas anders als unsere Schulversammlung.
Ich konnte noch kein ALC besuchen sondern habe nur aus Unterhaltungen ein Bild generiert. Es gibt eine nicht so aktive Emailgruppe in Deutschland. Ansonsten Infos auf dieser Seite: https://agilelearningcenters.org/
Wir haben schon an ein paar Stellen mit Scrum gearbeitet – gerade für Planungstreffen mit den Kids ist es super hilfreich, denn es hilft die Ideen zu sammeln und die Diskussion zu strukturieren. Für die Regelschule und digital gibt es dann noch andere Herausforderungen – aber ich überlege gerade, ob ich das mit unseren Prüflingen nochmal Online initiiere – weiß aber noch nicht auf welcher Plattform. Im Team arbeiten wir agil und nutzen Stackfield – aber das kostet Geld und die Zahl der Nutzer ist beschränkt. Vielleicht einfach Trello? hat da jemand Erfahrungen?
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@Sebastian, vielen Dank für das ausführliche Statement! Mich interessiert vor allem, wie ihr an der demokratischen Schule die Persönlichkeitsentwicklung bzw. Selbsteinschätzung begleitet bzw. dokumentiert. Gibt es dafür auch digitale Tools?
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@Nataliya, wir nutzen dafür keine digitalen Tools. Bei uns passiert das alles in Mentorenzeiten und im Halbjahresgespräch. Wir haben sehr persönliche Beziehungen zu den Kindern und kennen sie sehr gut. Wir nutzen da viele Coaching Tools.
Scaling Fragen und solche Fragen wie: Was ist Dir wichtig? Wo willst Du hin? Woran merkst Du das Du weitergekommen bist? Möchtest Du dass ich Dich immer wieder danach frage?
Dafür lassen wir uns auch selbst coachen und in coaching ausbilden, um immer besser darin zu werden. Allerdings geht es in Mentorenzeiten auch viel um persönliche Herausforderungen wie Streits mit Freunden, Trennung der Eltern, Tod von Großeltern – was auch immer die Kids gerade beschäftigt und wo sie Unterstützung wollen und brauchen.
Dokumentation ist für uns nicht so zentral. In den Halbjahresgesprächen machen wir drei Runden in denen Eltern, Kinder und Mentor*innen jeweils sagen –
1. Was war toll im letzten halben Jahr, was hat Dich begeistert, was haben wir beobachtet was Du Neues kannst, was hat Dir besonders Spaß gemacht
2. Was waren Herausforderungen, für die Kinder oder für uns
3. Wie gehen wir in die Zukunft, was ist der Plan?
Davon gibt es ein Protokoll und wir sprechen mit den Kids wieder darüber. Ansonsten machen wir oft Mindmaps, mit dem Kind in der Mitte und rundherum allem was die Kids gerade interessiert, begeistert, beschäftigt. Das mögen sie gern. Aber die Kids entscheiden mit, wie die Mentorenzeiten aussehen. Oft wollen sie sich auch nur unterhalten, spazieren oder ein Spiel spielen. Je älter sie werden desto mehr schätzen sie die gemeinsame Reflexion und haben ein größeres Interesse an Unterstützung bei persönlichen Fragen. Also in kurz, wenig Dokumentation, viel Begleitung und viel viel viel Beziehungsarbeit. Damit fahren wir echt gut und die Persönlichkeiten die sich entwickeln machen mich immer wieder sprachlos.
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@Nataliya
Vielen Dank für deine Vorarbeit und das ausführliche Dokument. Der Gedanke des Lernenden als Product Owner seiner Persönlichkeitsentwicklung zu sehen ist für mich neu. Bisher kannte ich nur die Eduscrum-Sichtweise, dass der Lehrer der Product Owner im Sinne der Qualitätssicherung des „tradierten Wissens bzw. tradierter Methoden“ ist. Ich merke, dass ich ins Schwimmen komme, was die Rollen des Scrum-Masters in diesem neuen Zusammenhang angeht.
Wenn es in erster Linie um die Entwicklung von Persönlichkeiten geht, halte ich eine Bewertung oder Beurteilung für fragwürdig.
@Oliver Vielleicht kannst du die Rollen in Scrum näher erklären? Gerne auch in der anderen Gruppe, in der es direkt um Scrum geht?
@Sebastian Welche Aufgabe haben denn genau die ALC (Agile Learning Center)? Und: Was ist die EUDEC-Konferenz? -
@Chrisi ALCs sind einfach Demokratische Schulen die mit Agilen Methoden arbeiten. Es sind also Schulen – meist von 1.-10. Klasse. Die EUDEC ist die European Democratic Education Community. Da gibt es jährliche Konferenzen bei denen sich Schüler*innen, Eltern und Lernbegleiter demokratischer Schulen und sonstige Interessierte demokratischer Bildung treffen. Zusätzlich gibt es noch die International Democratic Education Conference die jedes Jahr auf einem anderen Kontinent ist und dasselbe international ist, allerdings ohne eine feste verbindende Organisation. Guckst Du hier: https://eudec.org/
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Hallo,
ich habe in einem Konzept versucht, die Antworten auf gleich mehreren Fragen zu bündeln:
https://docs.google.com/document/d/1-6YfWSFd2gY5mriYfOdVCBsZwcgawba_zOpKlNbeVR8/edit?usp=sharing
Macht es Sinn, so ein Portal ins Leben zu rufen? Man könnte es dann theoretisch bis zum 1. April bei digitalengagiert.de einreichen, um eine Förderung zwecks Umsetzung zu bekommen.
Wer Lust hat, das Konzept zu kommentieren und zu entwickeln, kann mir gerne eine Anfrage schicken.
Ich freue mich auf eure Rückmeldungen!
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Nach dem „normalen“ Scrum in der Softwareentwicklung (vgl. https://www.scrumguides.org/scrum-guide.html#team):
- Der Product Owner hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass der „Wert des Produktes“ für die Auftraggebenden maximiert wird. Darum prüft er kontinuierlich, welche Arbeiten aktuell noch anstehen, ob sie noch relevant sind, priorisiert sie, beschreibt sie detaillierter, so dass das Entwicklungs-Team nachher etwas damit anfangen kann, usw. Das hält er im Product Backlog fest.
- Der Scrum Master hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass das Scrum Team (= Product Owner + Scrum Master + Entwicklungsteam) Scrum versteht und danach arbeitet. Er unterstützt daher den Product Owner beim „Wie“ des Organisierens des Product Backlogs, organisiert und gestaltet die Ereignisse wie Scrum Planning und Retrospektive, coacht bei Konflikten im Entwicklungsteam oder zwischen Entwicklungsteam und Product Owner und ggf. auch zur drumherum liegenden Organsation, sorgt dafür, dass alle gut arbeiten können, usw.
- Das Entwicklungsteam sind diejenigen, die das gemeinsame Produkt erstellen, ohne dass der Product Owner oder der Scrum Master in das „Wie“ oder „Wieviel pro Sprint“ reinquatschen. Das organisiert das Entwicklungsteam selbst und gibt dann aber auch ein entsprechendes Commitment ab.
Im Scrum Guide wird nicht klar gesagt, dass diese Rollen nicht in Personalunion ausgeführt werden können, aber sie sind aus gutem Grund getrennt und sollten auch so gehandhabt werden. Scheint bei EduScrum ja auch so übernommen worden zu sein. Wenn nun, wie hier angedeutet, jeder sein eigener Product Owner ist, ist es aber definitiv kein Scrum mehr. Bei Scrum geht es um ein gemeinsam erstelltes Produkt, nicht um viele kleine. Und ja, bei Scrum (und offenbar auch bei EduScrum) geht es um regelmäßige „Inspektion“ der Erreichung von Zielen, um ggf. nachzusteuern – dort aber auch von außen vorgegebene Ziele.
Scrum geht nur ganz (streng nach Scrum Guide mit allen Rollen, allen Ereignissen, allen Artefakten, den Scrum-Werten, …) oder gar nicht. Sage nicht ich, sondern Jeff Sutherland. Vergleiche dazu den Begriff ScrumBut.
Ich hatte ja anderswo schon geschrieben, dass ich mir wirklich nicht sicher bin, ob ihr für das beschriebene Vorhaben den Begriff „Scrum“ überhaupt braucht oder das Übertragen von Scrum in eine andere Domäne als die Softwareentwicklung Sinn ergibt – aber Buzzwords sorgen ja für Aufmerksamkeit und klingen modern. Lasst’s doch weg.
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